Matthäus 5, 9
Glücklich zu preisen sind die, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
Bei dieser Seligpreisung ist der direkte Bezug zum Altent Testament etwas weniger deutlich als bei der voranstehenden. Immerhin findet sich in Psalm 34, 15 die Aufforderung: “Meide das Böse und tue das Gute, suche Frieden und jage ihm nach.” Auch in der rabbinischen Literatur hatte der Auftrag, Frieden zu stiften, einen prominenten Platz, so dass die Thematik für diejenigen, die Jesus damals zuhörten, vermutlich nicht fremd war.
Angesprochen sind die “Friedensstifter”, noch wörtlicher übersetzt die “Frieden Machenden”. Das in den älteren Lutherbibeln stehende “die Friedfertigen” ist missverständlich, weil es leicht mit einer passiven Haltung bzw. friedlichen Gesinnung (ein Hund, der nicht bellt und beisst) verbunden werden kann. Gemeint ist aber ein aktives Bemühen, es geht um Leute, “die zwischen verfeindeten und streitenden Menschen schlichten, sie miteinander versöhnen und so ein Zusammenleben im friedlichen Miteinander gestalten helfen.”1) Luther selber hat die Stelle so verstanden: „Hier preist der Herr […] diejenigen, die sich darum bemühen, dass sie gerne Frieden schaffen, nicht allein für sich, sondern auch unter anderen Leuten, dass sie helfen, böse und verworrene Angelegenheiten zurechtzubringen, Hader zu beenden, Krieg und Blutvergießen zu wehren.“ Und er schliesst daraus „dass, wer ein Christ und Gottes Kind sein will, nicht allein keinen Krieg und Unfrieden anfange, sondern zum Frieden helfe und rate, wo immer er kann, auch wenn genug Recht und Ursachen zum Krieg gegeben wären“.2)
Man könnte auch schon mal vorausweisen auf die Verse 44-48 in diesem Kapitel, wo mit dem Gebot der Feindesliebe so etwas wie eine nächste Stufe in dieser Verhaltenslogik gezündet wird.
Fragt sich noch, ob hier beim Friedensstiften in erster Linie daran gedacht ist, vermittelnd und versöhnend zwischen zerstrittenen Parteien tätig zu sein, oder ob es eher darum geht, selber mit anderen in Frieden zu leben bzw. sich (wieder) zu versöhnen. Möglicherweise liegt der Akzent hier auf dem Vermitteln, aber das andere ist sicher nicht ausgeschlossen, vgl. Römer 12, 18: “Wenn möglich, soweit es in eurer Macht steht: Haltet Frieden mit allen Menschen!” Und wer in seinem eigenen Umfeld nicht Frieden sucht, wirkt auch als Friedensstifter zwischen anderen Parteien nicht glaubwürdig.
Die Friedensstifter werden Kinder (wörtlich: Söhne) Gottes heissen bzw. genannt werden. Von wem? – Sicher von Gott selber, der ja seinerseits der Gott des Friedens ist, vgl. z.B. Richter 6, 24; Hebräer 13, 20. Auch der angekündigte Messias wird im Alten Testament an einer bekannten Stelle als “Friedefürst” bezeichnet (Jesaja 9, 5), und bei seinem Kommen stand der Friede wiederum im Zentrum als die himmlischen Heerscharen ihren Jubel erschallen liessen: “Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden unter den Menschen seines Wohlgefallens.” (Lukas 2, 14)
Wer von höchster Autorität Kind Gottes genannt wird, ist es auch, vgl. 1. Johannes 3, 1: “Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!” Man könnte mit Lloyd-Jones erklären: “…ein Friedensstifter ist ein Kind Gottes, weil er das Wesen seines Vaters widerspiegelt.”3)
Vielleicht ist es noch hilfreich, darauf hinzuweisen, dass vor dem Hintergrund des Alten Testamentes “Friede” mehr umfasst als nur die Abwesenheit von Krieg oder Streit. Der zugrunde liegende hebräische Begriff “Schalom” umfasst auch Wohlergehen, Glück, ein erfülltes Leben. Friedensstifter haben somit eine schöne, ehrenwerte Aufgabe in dieser Welt.
1) Wengst, a.a.O., S. 49f
2) zitiert bei Wengst, a.a.O., S. 48
3) a.a.O. S. 151