Die zweite “Antithese”- wo Ehebruch anfängt, und wie man(n) ihn vermeidet

Matthäus 5, 27-30

27 Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Du sollst nicht ehebrechen! 28 Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau ansieht, sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.

29 Wenn aber dein rechtes Auge dir Anstoss gibt, reiss es aus und wirf es von dir. Es ist besser für dich, eines deiner Glieder geht verloren, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. 30 Und wenn deine rechte Hand dich zu Fall bringt, hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für dich, eines deiner Glieder geht verloren, als dass dein ganzer Leib zur Hölle fährt.

Die zweite “Antithese” ist ähnlich konstruiert wie die erste, einfach kürzer. Wieder wird eines der zehn Gebote zitiert, daran anschliessend folgt die Auslegung durch Jesus.  Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass mit der “Frau” die Ehefrau eines anderen Mannes gemeint ist. Im Fokus ist somit nicht die Frau allgemein, wie im Laufe der Auslegungsgeschichte manchmal die Verschärfung von Jesus nochmals “verschärfend” interpretiert worden ist. Hintergrund für die vorliegende, auf den Mann bezogene Formulierung, ist das damalige patriarchal geprägte Recht: “Der Mann kann die eigene Ehe nicht brechen,  sondern nur die eines anderen Mannes, indem er mit dessen Frau schläft.”1)  Verurteilt wird deshalb sein “absichtsvolles Anblicken mit dem Ziel, eine fremde Ehe zu brechen.”2)

Recherchen durch die von mir zugezogenen Exegeten zeigen einerseits, dass zahlreiche fromme Juden und ihre Rabbinen damals der Meinung waren, dass die Frauen an sich sozusagen die Wurzel des Übels seien. Deshalb wurde geraten, man solle sich vor unnötigem Kontakt mit ihnen hüten, nicht unnötig mit ihnen reden (nicht einmal mit der eigenen…), sie nicht zu grüssen und eben auch nicht anzuschauen, um sich nicht in Gefahr zu begeben. Diese Haltung hat Jesus sicher nicht unterstützt. Das lässt sich an seinem Umgang mit Frauen deutlich sehen. Andererseits ist das, was er zum Thema “Ehebruch” ausführt, nichts in dem Sinne Neues, dass es nicht im Judentum auch schon gelehrt worden wäre. Mit den Worten von Wengst: “Jesus sagt also in Matthäus 5,28 nichts Revolutionäres, nichts aufregend Fortschrittliches, sondern mit den religiösen Autoritäten seiner Zeit und nach  ihm im Judentum etwas sehr Schlichtes, aber ebenso Beherzigenswertes und  Förderliches: nicht die Ehe zu brechen und dem Ehebruch auch da schon  nicht Raum zu geben, wo er entsteht: im Herzen.”3)

Vers 29-30 wird in aller Regel nicht wörtlich verstanden. Da schliesse ich mich an und verstehen die Rede hyperbolisch. Am Beispiel des Auges lässt sich das auch gut begründen, denn es ist ja nicht so, dass das Ausreissen eines Auges – das rechte ist vielleicht genannt, weil rechts als besser angesehen wird als links – etwas “nützt”. Das übriggebliebene linke Auge würde dasselbe sehen wie vorher beide zusammen, und es ist nicht so, dass das eine Auge das Objekt seines Sehens selber und anders beurteilt als das andere. Es handelt sich vielmehr um eine äusserst scharfe Aufforderung, mit allen Mitteln, und seien sie noch so einschneidend, die Sünde zu vermeiden. Immerhin erfolgt die Warnung vor dem Horizont des jüngsten Gerichtes, wenn am Schluss von der Hölle die Rede ist. Auch wenn diese “Antithese” nicht zusätzlich verschärft zu werden braucht (siehe oben), verlangt sie doch viel. Die Ehe erscheint als schützenswerte und Respekt gebietende Institution. Das gibt natürlich im heutigen gesellschaftlichen Umfeld zu Fragen Anlass (siehe unter der Rubrik “Thesen und Fragen”). 

  1. Wengst, a.a.O., S. 92
  2. Luz, a.a.O, S. 264
  3. a.a.O., S. 95

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